Märchen machen Mut

Mich hat schon als Kind im Märchen wie im Leben berührt, dass es aufregend ist und glücklich macht, loszugehen, egal ob aus Neugier oder Verzweiflung, und dabei zu erleben, wie der Horizont sich öffnet. Dass das Vertrauen ins Leben, in Gott, weiterführt und uns umhüllt.

Im Erleben eines Märchens nun kann ich Hoffnung schöpfen, das auch in meinem Leben, in vielleicht verfahrenen Situationen, es sich lohnt zu hoffen, zu hoffen, dass mein Weg weiterführt und sinnhaft ist, dass Verwandlung möglich ist, und wenn ich offen bin zu helfen und mich zuzuwenden auch mir selbst Hilfe und Zuwendung zuteil wird.

Manchmal leuchten bestimmte Märchen oder bestimmte Stellen im Märchenverlauf auf und im Nachempfinden klingt vielleicht eine Stelle meines Lebens an und wird auf diese Weise beleuchtet.

Die Bilder, die in Märchen auftauchen, berühren uns ähnlich wie Traumbilder, können Botschaften an unsere unbewusste Seite sein. So gibt es auch Bilder, die für die verschiedenen Lebensphasen stehen und in unterschiedlicher Ausprägung in fast jedem Märchen vorkommen: königliche Geburt, Trennung, Begegnung mit Helfern und eigene Hilfsbedürftigkeit, Kampf und Verwandlung, Rückkehr, Ankunft und Hochzeit und Krönung.

Die Zahl sieben als heilige Zahl wird da erkennbar und taucht oft auf, in Märchen und auch in biblischen Geschichten: drei und drei und in der Mitte eins, das beide Seiten verbindet. So der Mensch, er hat eine sichtbare Seite auf der Erde und eine unsichtbare, eine bewusste und eine unbewusste, eine männliche und eine weibliche. Der jüdische siebenarmige Leuchter drückt das z. B. aus.

Aber auch die Spirale ist ein Symbol für fortschreitendes Leben, das verschiedene Ebenen miteinander verbindet. Ebenso das Labyrinth, das man durchwandert und dabei seinen eigenen Lebensweg meditiert oder eben den eines Märchenprotagonisten oder den einer biblischen Person.

Man kann auch von der Entfaltung des Lebens sprechen. Was im Keim angelegt ist will sich entfalten, es braucht Boden, Wasser, Licht und Luft, also Zuwendung und Liebe, Nahrung und Wasser, Sonne und Luft und den Mut sich dem Leben anzuvertrauen. Liebe ist das Element des Lebens und so auch im Märchen: nur durch die Erfahrung von Liebe kann Leben gedeihen und anderem Leben dienen.

Das tiefe Empfinden in mir beim morgendlichen Losgehen auf einer Wanderung, beim Pilgern, aber auch morgens auf dem Weg zur Arbeit (in abgeschwächter Form): Aufbruch, Abenteuer, Offenheit für Neues, in Unbekanntes hinein. Als Illustration ein Gedicht meiner Frau:

Aufbrechen
Unterwegssein
mit leichtem Gepäck
jeden Schritt genießen
mich freuen
am Jetzt
und Jetzt
und Jetzt
ausruhen.
Mich stärken und nähren
schlafen
vergessen


Aufbrechen und
immer leichter werden
in der Freude am
Jetzt
an DIR
in jedem
Schritt
Ausruhen und
schlafen in DIR
Ich vergesse mich
und brauche keine
Kontrolle mehr.

Petra Kremer

(Ausschnitt aus: Was ist ein Märchenprozess? Hausarbeit von Clemens Walter-Kremer vom März 2018)